Im August 2019 war es soweit: Ich bin mit dem SUP nach Helgoland gepaddelt. Viele von Euch wissen, dass ich davon schon eine ganze Zeit geträumt hatte (in dem Buch „Mikroabenteuer – Das Motivationsbuch” erzähle ich ja ausführlich von diesem Traum, der dort allerdings noch eine Geschichte des Scheiterns ist). Jetzt ist dieser Traum Wirklichkeit geworden. Am Samstag, den 24. August, bin ich mit meinem Board, Schlafsack & Co um 14 Uhr in Hamburg in den Bus gestiegen, dann mit der Bahn weiter bis Cuxhaven. Bei Hochwasser um 19 Uhr ging’s vom Duhner Strand nach Neuwerk, wo schon mein Begleitboot für die Helgoland-Passage lag. Nach einer Nacht unterm Sternenhimmel dann Aufbruch um 07:15 Uhr, wieder bei Hochwasser. 52 Kilometer und 6:57 Stunden später war ich da. Ein unfassbar gutes Gefühl. Auch, weil vorher JEDER, dem ich von der Idee erzählt habe (inklusive Kajakfahrer, Segler usw.), mir sehr deutlich gesagt hat, dass sie nicht umsetzbar ist. Und weil ich der Erste war, der diese Überfahrt gewagt hatte. Am Ende war ich sogar früh genug da, um noch am gleichen Nachmittag mit der Fähre wieder zurück nach Hamburg zu fahren.

Hier gibt’s ein paar Fotos von meiner Tour mit dem SUP nach Helgoland:

 

Tausend Dank für’s Dabeisein, an den Fotografen Jozef Kubica! Ein großes Danke geht auch an Indiana Paddle & Surf Co. für den tollen Support und das Vertrauen in meine bekloppten Ideen! Ach, und hier findet Ihr eine Podcast-Folge, einen Pressetext sowie ein Interview zu dieser Erstbefahrung …



Pressetext | Mit dem SUP nach Helgoland

Mit dem Standup-Paddle-Board nach Helgoland – was nach einer wahnwitzigen Idee klingt, hat Mikroabenteurer und Buchautor Christo Foerster jetzt umgesetzt: Er paddelte die 60-Kilometer-Distanz auf der Nordsee in insgesamt 9 Stunden. Foerster sagte nach seiner Ankunft: „Diese Tour war unglaublich hart, vor allem in den ersten Stunden, als die Wellen seitlich kamen. Aber das Schwierigste war nicht das Paddeln, sondern, den Glauben daran nicht zu verlieren, dass es machbar ist. Jeder, mit dem ich im Vorfeld über diese Idee gesprochen habe, darunter auch Segler und andere erfahrene Wassersportler, hat mir den Vogel gezeigt.” 

Foerster ließ sich zur Sicherheit von einem Boot begleiten, griff aber ganz bewusst nicht darauf zurück. Von Hamburg nach Cuxhaven fuhr er mit der Bahn, dann weiter mit dem Bus an den Duhner Strand, wo er sein aufblasbares Board seetüchtig machte und am Abend des 24. August um 19 Uhr bei Hochwasser Richtung Neuwerk aufbrach. Dort verbrachte er die Nacht im Schlafsack unter freiem Himmel und startete am Morgen des 25. August um 07:15 Uhr, wieder bei Hochwasser, mit Sack und Pack Richtung Helgoland. Um 14:12 Uhr kam er auf Deutschlands einziger Hochseeinsel an. „Ein unvergessliches Erlebnis, ich habe mich selten so lebendig gefühlt”, so Foerster. Sein Appell: „Wir müssen für ein Abenteuer nicht weit reisen und schon gar nicht um die halbe Welt fliegen. Es liegen Tausende vor unserer Haustür, wir müssen sie nur greifen.” 

Besonders heikel ist bei einer Querung nach Helgoland das tidenbedingte Zeitfenster: Das Wasser läuft nur sechs Stunden ab, danach drückt es wieder Richtung deutscher Nordseeküste. Das Hochwasser sollte deshalb möglichst am frühen Morgen liegen, damit genügend Zeit und Tageslicht bleibt, um sich auch nach Kippen der Tide weiter vorzuarbeiten. Zudem braucht es leichten Wind aus Südost – und einen blinden Fleck im persönlichen Terminkalender. Foerster: „Ich hatte keine Ahnung, ob ich wirklich bereit bin für diese Aktion. Aber ich wusste: Dieses Wochenende ist die einzige Chance, die ich 2019 noch bekomme. Ich habe unterwegs natürlich irgendwann gemerkt, dass das auflaufende Wasser das Paddeln deutlich mühsamer macht, aber Gott sei Dank habe ich die Insel da schon sehen und genügend Kraftreserven mobilisieren können.” Foerster war schließlich sogar so früh auf Helgoland, dass er nach einem Inselrundgang die nächste Schnellfähre zurück nach Hamburg nahm. „Das passte ganz gut. Ich konnte am Abend sogar noch die Kinder ins Bett bringen.”


Interview | Mit dem SUP nach Helgoland

Christo Foerster über Helgoland, Herings-Filets und die Kunst, Dinge zu wagen

Mal ganz ehrlich, wie kommt man auf die Idee, mit dem SUP nach Helgoland fahren zu wollen?
Ich habe einen alten Wohnwagen, der steht am Hamburger Elbstrand. Dort saß ich eines morgens am Wasser, sah einem dicken Containerschiff hinterher, das Richtung Nordsee fuhr, und fragte mich, wie weit ich wohl aus eigener Kraft da rauspaddeln könnte. Diese Frage ließ mich nicht mehr los und Helgoland setzte sich als Ziel in meinem Kopf fest. Ich begann, zu recherchieren, und fand heraus: Kajakfahrer sind da schon hingepaddelt, mit dem SUP hat es noch keiner gewagt. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht einmal ein eigenes Board.

Warum musste es ausgerechnet das SUP sein?
Ich war ein paarmal mit so einem Ding gefahren und hatte mich verliebt. Die aufblasbaren Boards sind einfach unschlagbare Mikroabenteuer-Tools, weil du sie mit in die Bahn nehmen und einen Haufen Ausrüstung auf ihnen transportieren kannst. Außerdem gehe ich ja nicht raus, um den ganzen Tag zu sitzen. Kurz nachdem die Helgoland-Idee entstand, sprach ich auf einer Sportartikelmesse in München einen SUP-Hersteller aus der Schweiz an und erzählte von meinem Vorhaben, vielleicht etwas vorlaut. Zwei Wochen später hielt ein Lieferwagen vor meiner Haustür in Hamburg, stellte zwei große Pakete vor die Tür und ich war Markenbotschafter.

Wie sah deine Vorbereitung auf das Helgoland-Abenteuer aus?
Ich begann einfach, Zeit auf dem Wasser zu sammeln und lange Strecken zu fahren. Ich war viel auf der Elbe unterwegs, paddelte unter anderem während einer deutschlandweiten Lesetour auf dem Rhein von Köln nach Düsseldorf. Ich setzte mich mit den Bedingungen für Helgoland auseinander und sprach mit Leuten, die sich auf der Nordsee auskennen. Das war allerdings nicht sonderlich ermutigend. Trotzdem war ich extrem motiviert, und vergaß dabei, auf meinen Körper zu hören. Ich dehnte mich selbst nach stundenlangen Touren keine Minute. Dafür bekam ich irgendwann die Quittung. Mein Rücken machte komplett dicht, ich lief rum wie ein 90jähriger mit Rheuma und musste den Helgoland-Traum erst einmal begraben. Das war im vergangenen Jahr. Ich quälte mich über den Winter durch ein ekliges Reha-Programm, verstand, was ich falsch gemacht hatte, und war im Frühjahr dieses Jahres schmerzfrei. Ich ließ Helgoland auf meiner inneren Prioritätenliste nach hinten rücken und paddelte nur kürzere Strecken. Aber im Sommer schielte ich dann doch wieder mit einem Auge auf die Windvorhersage für die Deutsche Bucht. Als ich dann diese Möglichkeit im August sah, war mir klar: Die musst du greifen, sonst wird es in diesem Jahr auch nichts.

Fühltest du dich bereit für diese Herausforderung?
Es gab unzählige Gründe, die dagegensprachen, so spontan aufzubrechen. Ich war in diesem Jahr nie länger als 90 Minuten am Stück gepaddelt. Ich war die Strecke nie mit der Fähre abgefahren. Ich war überhaupt noch nie auf Helgoland gewesen. Der Wind sollte am Sonntagnachmittag auf Nord drehen. Befreundete Segler und der Kapitän meines Begleitboots hielten das Ganze immer noch für eine totale Schnapsidee. Aber ich glaubte trotzdem daran, dass es für mich machbar ist. Ich wollte es wenigstens versuchen.

Was hat deine Frau dazu gesagt?
Die geht mit solchen Ideen mittlerweile sehr entspannt um. Dass wir an dem Wochenende zwei Verabredungen absagen mussten, hat ihr zwar nicht so richtig gepasst, aber sie hat verstanden, dass ich es genau jetzt versuchen muss und mir den Rücken freigehalten. Was so eine Überfahrt mit dem SUP im Detail bedeutet und wie die Bedingungen da draußen auf der offenen Nordsee sind, das war ihr aber gar nicht so bewusst, glaube ich. Da habe ich mich immer sehr bedeckt gehalten (lacht).

Du bist dann mit Bus und Bahn von Hamburg an den Duhner Strand bei Cuxhaven gefahren, um nach Neuwerk zu paddeln …
Ja, meine ursprüngliche Idee, in Hamburg loszupaddeln, war aus Zeitgründen nicht umsetzbar. Deshalb wollte ich direkt von der Nordseeküste los. Und wenn du schonmal auf Neuwerk bist, hast du es am nächsten Tag nicht mehr so weit bis Helgoland. Ich habe dem Leuchtturmwärter noch kurz Bescheid gesagt, dass ich gleich rausfahre und nicht wiederkomme, und bin dann abends um 19 Uhr bei Hochwasser los. Bei Niedrigwasser hätte ich durchs Watt rüberlaufen müssen. Die Sonne versank traumhaft im Meer und kurz danach kam ich auf Neuwerk an, wo das Begleitboot schon auf mich wartete.

Warum hast du dort nicht mit der Crew auf dem Boot übernachtet?
Eine meiner persönlichen Mikroabenteuer-Regeln lautet: Ist eine Nacht dabei, dann verbringst du sie draußen ohne Zelt. Das hätte wohl auch auf dem Deck funktioniert, aber ich wollte auf das Boot wirklich nur im Notfall zurückgreifen, habe ja auch meine Ausrüstung auf dem Board gehabt, inklusive Wasservorräte, und selbst navigiert. Die Nacht auf Neuwerk war extrem klar. Ich lag noch lange wach, vor Aufregung und weil der Sternenhimmel mich so in seinen Bann zog.

Was hast du gegessen, gab es nochmal was Warmes?
Nein, den Gaskocher habe ich zu Hause gelassen. Es gab kalte Heringsfilets, abends zwei Dosen, am nächsten Morgen nochmal zwei. Außerdem Nüsse, Bananen und Energieriegel. 

Dann kam der Tag der Wahrheit. Wie hast du die Überfahrt nach Helgoland erlebt?
Ich bin um 07:15 Uhr los und musste erstmal Richtung Norden paddeln, um aus den flachen Gewässern zwischen Neuwerk und Scharhörn herauszukommen. Der Wind blies relativ stark aus Osten und lies die Wellen quer zum Board laufen. Ich landete in der ersten Stunde dreimal im Wasser. Dann musste ich das Fahrwasser der Elbmündung queren, eine Autobahn für Containerschiffe. Rechts war frei, der Frachter links gerade weit genug entfernt, um die Flucht nach vorne zu riskieren. Danach konnte ich endlich den Kurs ändern, direkter auf Helgoland zu. Der Wind drehte weiter auf Südost und schwächte ab. Ich hatte die Wellen jetzt also mehr oder weniger im Rücken. Von da an hieß es: Immer weiter. Du begreifst zwar die Magie dieser Situation, du, das Board, das riesige, weite Meer, aber wirklich tiefschürfend sind die Gedanken da draußen nicht. Du redest mit dir selbst, sprichst dir Mut zu, isst und trinkst in einem festen Rhythmus, guckst auf die Uhr, rechnest und paddelst. Ich fuhr gefährlich nah an einem Containerschiff vorbei, dass einige Seemeilen vor Helgoland auf Reede lag, also ankerte, und irgendwann tauchte dann ein Seehund neben mir auf, um mich ein Stück zu begleiten. Helgoland schälte sich aus dem Dunst, ich merkte, dass die Tide gekippt war und das Wasser mir entgegendrückte, die Sonne brannte mittlerweile ordentlich. Aber ich hatte jetzt das Ziel vor Augen und kam weiter gut voran. Ich bemühte mich, die Euphorie zu bremsen, schließlich konnte immer noch alles passieren, legte noch eine Schippe drauf, und plötzlich war ich da. 

Wie hat sich das angefühlt, diesen Traum wahr gemacht zu haben?
Verdammt gut. Da war bei aller Erschöpfung ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit. Ich habe mein Board an den Strand gezogen und bin erstmal ganz alleine Baden gegangen, um den Moment zu würdigen. Als ich zurückkam fühlte ich mich kurz ein bisschen fehl am Platz zwischen all den Touristen mit ihren Duty-Free-Artikeln. Ich hätte die am liebsten geschüttelt und ihnen entgegengerufen, was ich gerade erlebt hatte, aber es war viel schöner, genau das nicht zu tun und mit diesem kleinen Geheimnis über die Insel zu laufen. Am Abend drückten mir meine Kinder eine selbstgebastelte Goldmedaille aus Pappe in die Hand, auf der stand: Du hast es geschafft. Spätestens da kam auch der Stolz. Auf meine Familie und auf mich.

Du hast mal gesagt, man könne andere gar nicht motivieren, sondern nur inspirieren. Welche Botschaft steckt in diesem Abenteuer?
Für mich ganz klar: Selbst zu entscheiden, was es Wert ist, etwas zu wagen. Nicht auf die ganzen Zweifler zu hören, die dich und deine Ideen kleinreden wollen. Im Wagnis steckt immer die Chance auf bedeutendes persönliches Wachstum. Das macht ja ein Abenteuer erst zu einem Abenteuer: Etwas zu tun, obwohl du nicht weißt, wie es ausgeht oder du wirklich bereit dafür bin. An dich selbst glauben, rausgehen und machen. Natürlich sollten wir dabei nicht unverantwortlich handeln. Ich hatte ein Begleitboot dabei und vorab die Seenotrettung informiert. Und ich empfehle dieses Abenteuer auch nur sehr bedingt zur Nachahmung. Auf der anderen Seite bin ich kein Weltklasse-Athlet. Jeder von uns, egal wie erfahren oder durchtrainiert, kann zu seiner eigenen kleinen Expedition aufbrechen. Jetzt und vor der Haustür.